Mein Name ist Simon von K. Sie sagen, ich habe ein Kreuz zutragen. Sie sagen, ich sei ein „Held des Alltags“ und rühmenmeine Tapferkeit. Dabei habe ich es mir nicht ausgesucht.Mich hat niemand gefragt. Ich wäre gerne wie sie geblieben.Einer der aus sicherer Distanz zuschaut. Einer, der wegschauenkann und weglaufen, wenn es zu viel wird.Sie bewundern mich, heißt es. Sie könnten das ja nicht. Ja,Anerkennung kann manchmal sehr gut tun, aber oft kommtbei mir eher an: „Ich bin froh, nicht an deiner Stelle zu sein.“Das macht einsam. Ich habe mich nicht freiwillig gemeldetdiese Last zu tragen. Ich habe mich oft gefragt: „Warum ich?Ich war doch früher auch wie sie. Was unterscheidet michvon ihnen?“ Ich fühle keine Stärke. Ich fühle mich schwächerals vorher.Sie sagen, sie finden keine Worte. Viele bleiben weg. Auchich weiß oft nicht, was ich sagen soll. Ich kann vieles nichtin Worte fassen. Ich will auch niemanden belasten oder verschreckenmit meinem Schmerz. Es braucht viel Vertrauen,ein Gegenüber zu finden mit dem man das Unaussprechlicheausschweigen, aushalten kann.Sie wünschen mir „Viel Kraft“, wenn sie gehen, dabei wäreihr Dasein meine Stärke gewesen.Sie wünschen mir „Alles Gute“ und fragen, wie es mir geht.Ich sehe die Enttäuschung in ihren Augen, wenn ich nichtsGutes zu berichten weiß.Sie sagen, ich müsse jetzt durchhalten und ich hätte es dochschon so weit geschafft. Ich aber möchte manchmal alles vonmir werfen. Ich denke manchmal, jeder Ausweg wäre besser,als nur ein einziger weiterer Schritt nach vorn.Nein, ich hege keinen Groll. Ich war früher wie sie. Und, beiGott, ich wäre es gerne wieder. Ich habe auch nicht resigniert.Ich bin nicht ohne Hoffnung, nicht ohne Trost. Es gibt einenGedanken, an dem ich mich festhalte: Am Ende ist es SEINKreuz.
Sebastian Keller
Und als sie hinausgingen, fanden sie einen Menschen aus Kyrene mit Namen Simon; den zwangen sie, dass er ihm sein Kreuz trug. (Mt 27, 32)
Cruz de Ferro, „Eisenkreuz“, so heißt dieser Ort am Jakobsweg,
einem der bekanntesten Pilgerwege der Welt. Das Kreuz
steht in einem Steinhaufen, der ständig vergrößert wird. Die
Pilger*innen legen hier symbolisch Steine und Lasten ab, die
sie mitgebracht und zum Teil über hunderte von Kilometern
auf dem Weg getragen haben. Neben Steinen finden sich hier
auch andere Symbole: Briefe und Bilder von kranken oder
verstorbenen Menschen, Zettel mit Gebeten, Gegenstände,
auch Kreuze die für die Menschen Leid und Lasten symbolisieren.
Alles wird hier am Kreuz abgelegt.